XIX – Neunzehnter Kuss

31. März 2015

Über den ersten Teil meiner Reise (Nicht so stürmisch, lieber Murphy) heute habe ich dir ja schon am Flughafen geschrieben.
Aber die Reise ging noch weiter …

Nachdem ich dir geschrieben hatte, bin ich noch ein bisschen durch’s Netz gesurft. Kurz vor Boarding-Time habe ich gelesen, dass sie 1 Stunde nachdem ich am Hauptbahnhof war diesen gesperrt hatten. Aus dem Dach waren Glasteile rausgebrochen.
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Ich rufe noch meinen Papa an, ob er sicher wieder nach Hause gekommen ist. Ist er, zwar mit viel Verspätung, weil es durch umgestürzte Bäume zu Behinderungen kam, aber ihm ist nichts passiert. Zum Glück!

Dann beginnt das Boarding. Die Maschine ist fast komplett ausgebucht.
Ich sitze zwischen einer Frau und einem Herrn, der aussieht, als ob er zu einem Businesstermin fliegt.

IMG_0614Bisher sind alle Maschinen pünktlich losgekommen. Unser Flieger allerdings bewegt sich auch 5 Minuten nach Abflugzeit noch nicht vom Gate weg. Dann die Durchsage des Kapitäns:
„Berlin hat uns noch keine Freigabe erteilt. Wir müssen warten.“IMG_0615
An Bord is es ruhig, alle warten geduldig. Draußen stürmt es.
Als wir aber bereits 30 Minuten warten, schauen doch alle öfter auf die Uhr. Mein Sitznachbar hat mich schon 2 mal nach der Zeit gefragt.

Dann erneut eine Durchsage:
Immer noch keine Freigabe. Wir werden weitere 30 Minuten warten müssen.
Ein paar Leute stehen auf.
Von einem Freund in Berlin erfahre ich, dass der Sturm dort ziemlich heftig ist.
Allerdings sind Fluggesellschaften ja vorsichtig. Sollte es zu gefährlich sein zu fliegen, würden Flüge ja abgesagt werden.

Dann, ziemlich genau 1 Stunde nach planmäßigem Abflug bewegt sich unser Flieger. Wir dürfen jetzt starten!IMG_0619
Wir rollen auf die Startbahn, der Pilot beschleunigt und dann heben wir ab.
Ein bisschen wackelig ist es schon, aber noch in Ordnung. Doch kaum sind wir in den Wolken, beginnen die Luftlöcher.
Ich persönlich finde die ja eher lustig, ist ein bisschen wie beim Olympia-Looping auf dem Oktoberfest, die paar Sekunden freier Fall bevor es in die Loops geht.
Die arme Frau in der Reihe vor mir leidet aber ganz schrecklich, hat ihren Kopf in die Hände gestützt.
Dann kommt ein richtig heftiges Luftloch. Mein Magen hängt gefühlt irgendwo über meinem Kopf. Es geht ein Aufschrei durch Flugzeug. Die Dame vor mir greift zur Kotztüte. Whoa, da sind wir ganz schön viel abgesackt.

Ca. 10 Minuten dauert es, bis wir über den Wolken sind, dann wird es ruhiger.

Ein kleiner Tipp:
Wenn man bei so unruhigem Wetter fliegt (und besonders wenn damit zu rechnen ist, dass es nochmal wackelt) empfiehlt es sich auf Essen und Trinken zu verzichten. Man sollte den Magen nicht einer Doppelbelastung aussetzen.

Ich hab die Rosmarin-Kräcker, einen Tomatensaft und Tee genommen. Hätte ich mal lassen sollen. Aber hinterher ist man immer klüger.

Ich gestehe, ich habe relativ unverblümt und unbeschwert auf den Flieger umgebucht. Habe darauf vertraut, dass wenn geflogen wird es auch nicht riskant ist.
In dem Moment allerdings, als wir uns in den Landeanflug begeben haben und die Wolken wieder näher kamen, da hab ich plötzlich angefangen nachzudenken:
Starten ist ja noch ok – klar es gab die Luftlöcher – aber LANDEN ist ja noch mal was anderes. Und in Berlin stürmte es ja auch ziemlich stark. Kann man denn bei so nem Wetter überhaupt landen? Das war der Punkt wo ich es ein bisschen bereut habe, dass ich geflogen bin.

Ab dem Moment, als wir wieder in die Wolken eintauchen, wird das Flugzeug nur noch hin und her geschaukelt.
Mein Sitznachbar, ein stattlicher Mann, fängt ein Gespräch mit mir an. Ihm scheint es auch unwohl zu sein und ich bin dankbar für das Gespräch, denn es lenkt ein wenig ab.
Spätestens als wir uns dem Boden nähern und Berlin zu sehen ist, versuche ich nicht mehr aus dem Fenster zu schauen. Denn das macht nur deutlich wie sehr unsere Maschine wackelt.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir so sicher landen sollen.
Innerlich stelle ich mich darauf ein, dass wir weiterfliegen und irgendeinen andern Flughafen anfliegen.

Aber der Boden kommt immer näher. Ich kann nicht anders und schaue ab und zu aus dem Fenster. Aber nur kurz, sonst wird mir fürchterlich schwindelig.

Und dann setzen wir auf!
Ein dickes Lob an den Piloten, denn ich habe schon windstille Flüge erlebt, da war die Landung nicht so sanft.

Erleichtert beginnen viele Fluggäste zu klatschen. Und nach dem Flug und der Landung ist das auch völlig gerechtfertigt!

Wir rollen zu unserem Gate. Mir ist flau im Magen.
Das Flugzeug kommt zum Stehen, die Leute stehe auf, holen ihr Handgepäck aus der Ablage, warten, aber die Türen öffnen sich noch nicht.

Dann wieder eine Durchsage:
Es ist niemand da, der die Gangway bedienen kann, aber es kommt wohl schon jemand angerannt.

Im Normalfall finde ich sowas nicht schlimm. Aber im Moment ist die Verzögerung nicht gut. Die Turbinen laufen noch, das Flugzeug befindet sich in einer leichten Vibration. Unter normalen Umständen würde einem das nichts ausmachen, aber mir macht das gerade ganz viel aus. Nach diesen 15 Minuten Durchgeschüttel ist mein ganzes System total durcheinander. Und jetzt nach der Landung fängt es an, dass es mir schlecht wird.

Dann endlich gehen die Türen auf und wir können raus.
Aber wie auf dem Schiff hallt das Wackeln nach. Ich muss mich setzen während ich auf meinen Koffer warte. Da ich als eine der ersten eingecheckt habe, kommt mein Koffer als letztes.
Jetzt aber schnell an die frische Luft, ein bisschen frischen Sauerstoff atmen.

Selbst das Geschaukel des Busses ist mir zuviel. Ich lege meinen Kopf auf meinen Koffer und hoffe, dass ich es bis zu meiner Wohnung schaffe, bevor es mir so schlecht ist, dass ich mich übergeben muss.

Der Schwindel und die Übelkeit halten an, bis ich zu Hause bin, bis ich knapp 2 Stunden nach der Landung mit nem Vata-Tee im Bett liege. Erst da beginnt mein Körper sich wieder zu beruhigen.

Eine Freundin von mir schrieb auf Facebook:
„Eine(n) Oeffinger, bitte! Geschüttelt, nicht gerührt.“

Ja, das hat es getroffen.

3 Kommentare zu „XIX – Neunzehnter Kuss“

  1. Oh, du liebe Durchgeschüttelte. Stürmische Zeiten. Deinen Kopf auf dem Koffer abgelegt. Eindringliche Augenblicke. Deine „Luft-Loch-über-den-Wolken-fliegen“-Fotoserie ist herzberührend. Gütige Fee, Stern der Winde, Himmelskugel, man o man, da fällt einem ja der Schlaf aus den Händen. Nur gut, dass du deine App und einen lieben, gar mutigen Vater an deiner Seite hast.

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